Zitat von Butte:
In vielen Fällen, in denen hier das Wort Erfahrung verwendet wird, bezieht es sich ja nicht wirklich auf Erfahrung, sondern eher auf einen einfachen und oft falschen Verstandesschluß.
Da ist etwa jemand zweimal mit Linkshändern aneinandergeraten und verkündet dann: Linkshänder sind bösartig. Und gerade weil der Schluß so simpel ist, gerät er nicht eigens ins Bewusstsein, sondern wird vor sich und anderen als Erfahrung verkauft.
Daß wirklich eine Erfahrung mal als Erfahrung geschildert wird, ist hier sehr selten. Vielleicht wären das auch zu hohe Anforderungen an Qualität.
Im Prinzip hast du recht...das Problem ist...und damit muss auch jegliche Definition von "Qualität" entfallen, dass es keine Objektivität gibt. Die Wahrheit ist immer eine Frage der Relativität. Wir arbeiten mit simplen statistischen Methoden in der Wissenschaft um etwas zu "belegen". Nicht einmal das hat tatsächlich Wahrheitsanspruch. Es kann ein Hinweis auf Richtungen sein, auf Zeitgeschehen oder Tendenzen, mehr nicht.
Zitat von Butte:
Woran mangelts, wenn Forsiten die Erfahrung überspringen und stattdessen ihre Verstandesschlüsse zum Besten geben? Einfach an Verstand? Ich glaube nicht. Das sind ja meist keine bloße Rechenfehler. Es dürfte oftmals mehr mit Ressentiment zu tun haben. Das trübt schon die Wahrnehmung der Situation, setzt sein Wirken in der Beurteilung der Situation fort und gipfelt dann in solchen Fehlschlüssen.
Was hilft? Viele Erfahrungen machen und dabei Wahrnehmung, Bewerten und Schlußfolgern trainieren.
Ja, "einfach" ist nicht die Nachahmung, sondern das Aufgeben neuer Erfahrungen. Es scheint so simpel, sich zu einer unverrückbaren Meinung zu "entschließen". Tatsächlich begrenzt man sich selbst und ist sein eigener Stolperstein. Manchmal denke ich jedoch, das ein Inkaufnehmen des Stolpersteins einfach Kraft sparen kann, wenn sie nicht vorhanden ist...
Zitat von Butte:
Auch diese kann man ja trainieren, und das kann man m Anschluss an Bauch/Beine/Po oder Trinkfestigkeit ja auch mal probieren. Ratgeber aus dem unteren Fach für 9,95 können das leider nicht ersetzen. Und Schulterschluß im Ressentiment verhärtet dieses auch eher.
hmm...es ist immer eine Frage des eigenen Erlebens. Wo die Energie nicht übrig ist (es gibt Wichtige -überlebenswichtige- Dinge im Leben, die sein müssen) da ist der Schulterschluss tröstend und hilfreich...
Zitat von Butte:
Denken hat was mit Transferieren zu tun. Es geht nicht ohne Erfahrungsinput. Aber den Erfahrungsinput gibts ja kaum rein, sondern eben in verarbeiteter, verwerteter und wertender und schlußfolgernder Form.
Denken steht übrigens auch nicht dem sogenannten Emotionalen gegenüber. Vielmehr kann es mit dem ganz gut Freund sein. Wenn die eigene Empathiefähigkeit nicht beim Doppelgänger aufhört, sondern man sich auch mal in Menschen hineinversetzt, die anders sind als man selbst, ist das gar nicht so was ganz anderes als Denktransfer. In manchen Zusammenhängen spricht man auch von emotionaler Intelligenz. Wer Denken und Fühlen auseinanderreißt, erlebt die emotionale Intelligenz offenbar als Stranger.
Ja, Objektivität gibt es nicht und auch die Empathie ist nur begrenzt leistungsfähig. Denken ist ohne Fühlen m.E. garnicht möglich. Ich persönlich erfühle Dinge und versuche sie mir dann verstandesmäßig zu erklären...Denken ist langsam.
Durch die eigene Gefühlswelt ist die Empathiefähigkeit begrenzt...noch viel mehr begrenzt jedoch der Verstand die Fähigkeit, empathisch nachzuvollziehen.
Was meinst du mit "Doppelgänger"? Gibt es das? Außerhalb der Zwillingsforschung ?
Ich bin mal "aus Versehen" einem sogenannten Mörder begegnet, der offenbar aus einer Einrichtung "entflohen" war. Ich spürte plötzlich in meiner Nähe einen unglaublichen Schmerz (kein körperlicher Schmerz). Ein Mann lief aus einer Gruppe von Menschen und stand offensichtlich stark verwirrt allein. Ich bin zu ihm gegangen, habe ihn am Arm gestützt und gefragt, was denn ist. Er sagte erst nichts und fing dann an, in ganz kurzen Sätzen zu erzählen. "Ich musste das machen ...es war mein Job ...ich musste das jeden Tag machen...das ganze Blut...immer weiter, das Fließband läuft, wissen sie?...Dann irgendwann gings nicht mehr ich konnte nicht mehr, aber ich sollte weiter machen...ich hab weiter gemacht...überall um mich herum..mit dem Messer.."
Dann kamen Leute, die ihn wieder "einfingen".
Er war Berufsmetzger in einem Schlachthof gewesen. Heute ist mir bekannt, dass die meisten Tiere, die dort im Akkort über das Fließband laufen, noch leben. Es geht um Masse, es geht um Profit..die Tötung funktioniert nicht...Rinder werden bei lebendigem Leib auseinander geschnitten, Schweine sterben erst, wenn sie abgekocht werden....
Ich kann ihn heute verstehen und ich habe ihn damals gefühlsmäßig verstanden...seine Inhaftierer vermutlich nicht...
Dieses Erlebnis habe ich nicht und werde ich nie vergessen..
Also hat auch Empathie etwas mit Wissen zu tun? Sind wir in der Lage, jemanden zu verstehen, wenn uns der Erfahungshorizont fehlt oder wenn wir ein vollständig anderes Erleben haben?
Die Wahrheit ist immer relativ und wir sind viel zu dumm, sie tatsächlich allumfänglich zu erfassen.