AW: Partnersuche trotz Krankheit
Hallo Polly,
vorab muss ich erzählen, dass fast 15 Jahre an mir herumgedoktert wurde, ohne dass man mir zuhörte, wo und welche Schmerzen ich habe. Ich bin von einem Internisten zum nächsten, sogar sogenannte Professoren befassten sich mit meinem Syndrom. Sie konnten immer anhand vom Blutbild nur erklären, dass eine Entzündung im Körper sein muss, die sich immer weiter ausdehnt. Ich hatte ständig Beschwerden nach dem Essen im Unterbauch, Durchfälle, Gewichtsverlust und Erbrechen. Schließlich entfernten diese Metzger mir die Gallenblase, obwohl ich nie Beschwerden von dieser Seite her hatte. Sie bestanden aber darauf, noch am Nachmittag nach der OP sagten sie mir wörtlich: "Wir hoffen, dass es das gewesen ist." Da wusste ich, oh mein Gott. Ich konnte ab dem Zeitpunkt gar nichts mehr essen, meine Verdauung funktionierte nur noch bei flüssigen oder breiigen Lebensmitteln. Nach einem Jahr hatte ich nur noch 38 kg, war kaum noch fähig mich auf den Beinen zu halten. Der letzte Arzt gab mir dann noch Morphium, damit ich zumindest keine so große Schmerzen mehr habe. Monatelang mussten meine Kinder (5 und 6 Jahre) mit ansehen, wie ihre Mutter verzweifelt Hilfe suchte und immer weniger wurde. Mein damaliger Ehemann verzog sich mit dem Satz, er könne dieses Martyrium nicht mehr mit ansehen. Mein Vater brachte mich nach Erlangen in die Uniklinik, wo sie schockiert über meinen Zustand waren.
Mein Krankenhaus in der nähe weigerte sich trotz eindringlichen Bitten die Untersuchungsbilder, die sie noch vor 2 Monaten machten, ihnen zuzusenden. Also mussten sie die Untersuchungen wiederholen und entschieden eine halbe Stunde nach Auswertung der CT-Bilder zur sofortigen OP. Sie holten den Chefchirurgen vom Urlaub zurück und 7 weitere Chirurgen machten sich an die Arbeit. Als sie den Bauch geöffnet hatten sahen sie das ganze Ausmaß erst richtig. Der ganze Unterbauch war mit Eitersekret verklebt, sie sehen weder den Dickdarm noch den Enddarm, die Gebärmutter war ebenfalls befallen und im Dünndarm waren etliche Teilstücke drastisch befallen. Die Nieren, die Blase, die Leber, die Milz und das Zwerchfell mussten auch gereinigt werden. Dann wurden die befallenen Darmstücke entfernt, was gravierende Folgen mit sich zog. Nach den 13 Stunden der OP wussten sie nicht, ob der vorhandene Darm noch funktioniert und sich mein Zustand verbessert. Nach 5 Tagen waren alle hochzufrieden. Der verantwortliche Chirurg Dr. Klein sagte zu mir, dass sie keine große Hoffnungen hatten, dass ich es überhaupt überlebe. Er erklärte mir, dass es sich bei meiner Erkrankung um Morbus Crohn handelte, nun aber das Kurzdarmsyndrom und andere Nebenerkrankungen wie Glucose- und Fructose-Unverträglichkeit, Unterzucker im Blut, der zu Bewusstlosigkeit führt, Kreislaufprobleme, Fistelbildung und Darmverengungen an den Nahtstellen (Stenosen) kommen kann. Der Darmtrakt, der jetzt noch vorhanden ist muss mit allen Mitteln erhalten bleiben, denn sonst müssten sie mir einen künstlichen Ausgang setzen.
Seit Mai letzten Jahres habe ich einen Vessel-Loop und eine Banddrainage damit das Eitersekret ablaufe kann. Diese müssen alle 3 Monate erneuert werden, weil sie sonst verkleben. Zusätzlich muss ich nach jedem Stuhlgang die Ausgänge kräftig spülen. Ich habe täglich 10 bis 15 wässerige Stuhlgänge (Durchfall). Tagsüber kann ich gar nichts essen, sonst muss ich Nachts ebenfalls auf die Toilette. Also esse ich erst ab 17.00Uhr und begebe mich anschließend in die Horizontale, sprich ich lege mich hin, damit der Darm nicht gleich wieder geleert wird.
Allein komme ich ganz gut damit zurecht. Kannst du meine Zweifel jetzt verstehen? Wie kann man diese Handicaps einem neuen Partner erklären? Ich brauche kein Mitleid, ich bin in der Uniklinik Erlangen in guten Händen.
Obwohl ich kräftemäßig oft Pausen einlegen muss, mache ich handwerklich alles selber. Ich habe einen großen Gemüse- und Blumengarten, repariere mein Auto selber, baue meine Möbel selber, habe meine Terrasse selbst gepflastert, nähe meine Kleidung selber, koche mit Liebe und tanze mit Leidenschaft.
Ich bin trotz meiner Erkrankung lebenshungrig, habe viel Humor, neugierig auf alles Neue, wissbegierig und lache für mein Leben gerne.
Auch an meinem Äußeren sieht man mir die Erkrankung nicht an. Meine Ernährung habe ich auf meinen Körper abgestimmt, halte meine Muskulatur dadurch und mit den Arbeiten total fit.
Seit dieser OP 1995 kann mich nichts mehr unterkriegen. Ich frage nicht warum ich, dass bringt nichts. Ich frage, wie und was kann ich das Beste daraus machen.
Wenn ich irgendwann ein Buch schreibe lautet der Titel: "Untergang => Auferstehung mit Glanz und Gloria"